Aufruf an die Generation Digital!

Selten hat mich ein Artikel so inspiriert wie dieser hier – Digital Natives gegen Analoge Exiles! Ich stimme Herrn Dueck mehr als zu, was es braucht heute sind Leute, die Verantwortung übernehmen, nicht nur konsumieren, Persönlichkeiten, die soziale Gewandtheit, emotionale Intelligenz, Managementtalent, Verhandlungsgeschick, Selbstverantwortung und Unternehmergeist mitbringen – in diesem Sinne: lesen und weiterverbreiten!

Aufruf an die Generation Digital!

Die Eingeborenen des Internetzeitalters müssen endlich rauskommen aus ihrer Höhle. Ihre Mission ist keine geringere, als die Gesellschaft neu zu erfinden. von Gunter Dueck. Herr Dueck ist Chief Technology Officer bei IBM Deutschland und gilt als Vordenker der digitalen Welt. Er ist Professor der Mathematik und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, zuletzt „Aufbrechen! Warum wir eine Exzellenzgesellschaft werden müssen“.

Die Zukunft ist digital. Das Internet ist ihr neues Leitmedium. Und unser Heimatland ist bald ganz in das globale Dorf eingebettet, zu dem die Welt wird. Wir stehen jetzt schon seit vielen Jahren vor (!) „dramatischen Veränderungen“, von denen wir uns in der Presse erschauernd angsterfreuen lassen. Jetzt wird es Zeit anzupacken. Nicht nur, weil es schon Leute in Singapur tun, sondern einfach, weil das Vorangehen mehr Freude macht als das Nachmachen mit der Peitsche im Rücken. Und wer soll anpacken? Die Digital Natives natürlich, die Eingeborenen des digitalen Zeitalters! Es steht doch schon an allen Wänden „Power is changing hands“. Aber was soll neu erfunden werden?

Bei Platon und Aristoteles steht ja schon, wie man einen Staat aufbaut. Jeder kommt auch selbst darauf, so tiefsinnig ist es nicht. Für jede Infrastruktur wird eine Organisation benötigt, also zum Beispiel für die Landwirtschaft, den Handel, die Armee, die innere Sicherheit, die Energieversorgung, den Verkehr und so weiter. An die Spitze einer jeden Infrastrukturorganisation steht ein Minister. Der hat seinen Kompetenzbereich und sein Ressort. Jetzt kommt aber als neue Infrastruktur das Internet hinzu. Und alle haben natürlich sofort die Idee, ein Ministerium für die Verlegung von Glasfasern zu gründen.

Diesmal ist es aber anders: Das Internet wirkt in den Verkehr, die Energieversorgung, die die Verteidigung, den Handel – kurz: in alle Bereiche hinein und gehört dort überall schon jetzt oder sehr bald zum wichtigen Kernbereich dazu.

Schauen Sie Ihren Computer an, auf dem viele Anwendungen wie Textverarbeitung, Datenbanken, E-Mail oder SAP laufen. Diese Anwendungen können nur dann sinnvoll funktionieren, wenn sie auf einer gemeinsamen Plattform stehen, die beim Computer Betriebssystem heißt. Das Betriebssystem erledigt all jene Aufgaben, die viele Anwendungen brauchen. Im Betriebssystem ist ökonomisch sinnvoll alles nur einmal programmiert, was sonst getrennt in jeder Anwendung immer noch einmal vorhanden sein müsste.

In diesem Sinne bildet das Internet rund um Cloud-Computing – also das Auslagern von Daten und Programmen ins Netz – eine Art Betriebssystem für die Gesellschaft der Zukunft. Leider erfinden gerade alle Infrastrukturen und alle Minister das Internet in ihren Ressorts so ein bisschen selbst und dabei ganz widerwillig neu. Ein Ressort ist „fest umrissen“, so war es allezeit seit Platon und Aristoteles. Das Internet verfilzt nun aber alles. „Die Komplexität steigt!“, klagen Manager und Politiker, aber im Grunde verstehen sie nicht, dass wir nun unter den Ministerien beziehungsweise den Unternehmenszentralen ein Betriebssystem brauchen, das den Kern der gemeinsamen Verwaltung bereitstellt. Das Fehlen dieses Betriebssystems erzeugt die Komplexität.

Digital Natives, das Gesellschaftssystem muss neu erfunden werden!

Viele Berufstätige verwenden einen großen Teil ihrer Arbeitszeit dafür, Informationen einzugeben, zu verändern, zu suchen, weiterzugeben und Auskünfte zu erteilen. Das betrifft Ärzte, Rechtsanwälte, Reisebüros, Headhunter, Wissenschaftler, Bankberater, Versicherungsagenten, Lehrer, Professoren, Unternehmensberater, Journalisten und Beamte aller Art. „Ich bin in der Familienkasse dafür zuständig, die Immatrikulationsbescheinigungen der Studenten aktuell zu halten, damit das Kindergeld korrekt ausgezahlt wird. Dazu führen wir einen ausufernden Schriftwechsel mit Eltern, die wiederum mit deren Studentenkindern und die wieder mit den Universitäten. Wir alle zusammen arbeiten zuverlässig daran, die Information ,Ja‘ von der Uni auf den langen Papierweg in den PC der Familienkasse zu bringen.“

Wir stöhnen unter solchen Steinzeitorganisationen. Wir erleiden täglich unsere Flachbildschirmrückseitenberatungen. Wir wollen eine Reise, einen Fonds, eine Versicherung, ein Ticket – und immer starren wir dazu einen Flachbildschirm von hinten an, auf dessen Vorderseite jemand für uns surft oder an alter Software scheitert. Wir haben aber doch schon gesurft, lieber Banker, Reiseagent, Arzt oder Rechtsanwalt! Wir brauchen nur noch das, was wir nicht durch Surfen selbst erledigen können. Das aber wird immer weniger. Das Einfache der Berufe wandert ins Internet. Informationen erteilen oder auf Papier hin- und herschicken ist kein Beruf mehr. Alle Routineaufgaben werden beim „Discounter Internet“ erledigt.

Wer noch irgendwo Information braucht, kommt dann natürlich mit einem komplizierten Fall, für den er einen wirklichen Professional braucht.

Sehr viele Berufe verlieren sehr viel Arbeit dadurch, dass die meisten Menschen den einfachen Fall der reinen Informationssuche selbst erledigen können. Diese Berufe verlieren einen großen Teil ihres profitablen Geschäfts. Sie bleiben dann auf den schwierigen Beratungs- und Verwaltungsvorgängen sitzen, die so anspruchsvoll sind, dass man sie nicht automatisieren kann. Deshalb braucht Deutschland demnächst immer dringender Fachkräfte. Alles andere wird im Internet automatisiert oder von Niedriglohnjobbern erledigt.

Digital Natives, die Berufe müssen neu erfunden werden!

Komplexe Aufgaben verlangen nicht nur Fachkönnen (das wird sogar zum guten Teil vom Internet geliefert), sondern soziale Gewandtheit, emotionale Intelligenz, Managementtalent, Verhandlungsgeschick, Selbstverantwortung, Unternehmergeist – eben all das, was heute in Stellenanzeigen so gefordert wird. Darüber amüsieren sich viele: „Haha, man soll jetzt alles können!“ Liebe Leute, man muss es.

Unser Bildungssystem aber trichtert vor allem ein, was schon im Internet steht. Wir lernen nicht, professionelle Menschen zu sein oder Persönlichkeiten zu werden. Wir werden nicht auf das Komplexe vorbereitet. Manager behandeln ihre Mitarbeiter wie unmündige Menschen, die dressiert werden müssen, bestimmte Handgriffe zuverlässig wieder und wieder auszuführen. Die Standardisierung der Arbeit führt viele von uns in einen halb automatisierten Niedriglohnjob, weil gerade alle Dienstleistungen auf Teufel komm raus industrialisiert werden. Diese Industrialisierung des Einfachen macht viele von uns zu immer niedrigeren Fließbandarbeitern, die bald gar nicht mehr gebraucht werden.

Die aber, die übrig bleiben, sollen ungleich professioneller sein als jemals in der Menschheitsgeschichte. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir unsere Professionalitätsstandards dramatisch erhöhen, wie wir unseren Nachwuchs coachen, ob wir vielleicht zu Einzelunterrichtseinheiten mit Internethausarbeit übergehen sollten. „Persönlichkeit“ wird nicht gelernt, sondern erworben – es geht dabei immer um Coaching, Training und Mentoring – nicht um bloßes Frontalunterrichten. Lernt man Fußball, Ballett, Geige oder Theaterspiel durch Frontalunterricht? Nein. Und Verhandeln, Managen oder Projektleitung auch nicht. Alle wissen, dass man mit Geige, Ballett oder Schachspielen früh anfangen muss, wenn es gut werden soll. Aber Managen, Verkaufen, Kommunikation erst nach dem Doktor mit 30?

Digital Natives, die Menschen müssen neu erfunden werden!

Wer erfindet denn nun neu? Die Politiker betreiben Politik für Arbeiter, Selbstständige, Bauern, Christen, Beamte, Verwaltungsangestellte. Das sind sie aus der alten Welt so gewohnt. Sie verstehen nicht, dass es diese Klassen im digitalen Zeitalter gar nicht mehr gibt. In der näheren Zukunft werden wir eine Mittelschicht der Hochprofessionellen sehen und eine Schicht derer, die der Dienstleistungsindustrialisierung zum Opfer fallen und in Niedriglohnbereiche abdriften. Werden wir Parteien haben für „Professionals“ und „Unprofessionals“? Kümmert sich jemand darum, möglichst viele Menschen in den Bereich der Professionals hineinzubringen?

Die Politiker nicht, sie sind nicht einmal Digital Immigrants, eher Analog Exiles. Wen soll ein Professional des digitalen Zeitalters wählen? Das weiß er nicht. Er wählt überhaupt nicht, dasselbe wie beim letzten Mal oder aus Verzweiflung Grün. Erkennt denn keiner den Erdrutsch des digitalen Zeitalters?

Ja, doch, die Digital Natives erkennen ihn, die Blogger oder Facebook-Jünger, die sich neuerdings in demokratischen Revolutionen hervortun – woanders. Sie stecken alle im Internet und freuen sich über ihre tolle Digital Community. Sie werden böse, wenn die normale Welt sie stört. Sie kämpfen für die Freiheit des Internets. Das ist gut! Aber doch lange nicht genug.

Digital Natives, Ihr seid die Generation, die ein neu erfundenes Deutschland führen wird. Auf Euch wartet mehr Neubauarbeit als auf fast jede andere Generation. Bleibt nicht unter Euch! Kommt in die Welt! Lest Platons Höhlengleichnis von dem einen, der das Licht draußen sah und die Kunde vom Licht den Ungläubigen hereinbringt. Lasst nicht nach, wenn es eben diesen Unglauben noch lange geben wird. Werdet die treibende Kraft. Versteht die Verantwortung Eurer Generation. Lasst Euch das von mir Altem nicht immer sagen lassen müssen. Los!

(Quelle: http://m.ftd.de/artikel/60048143.xml?v=2.0)

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Who wants to live forever

Für einen ersten Post sollte man vermutlich ein fröhliches Thema wählen, aber dieser Queen-Song hat mich schon immer fasziniert.

Heute war die Lancierung des iPad2. Ein Gadget, das wohl seinen Initiator überleben wird: Steve Jobs. Sein Zustand brachte ein Wirtschaftsmagazin dazu, eine Rede von ihm aus dem Jahr 2005 zu zitieren. Das besondere an der Rede: Jobs spricht darin von der eigenen Sterblichkeit. Und die Sterblichkeit ist in Zeiten von Web 2.0 eigentlich schwerer zu akzeptieren als jemals zuvor. Warum das? Das Internet vergisst nie. Wer schon einmal http://web.archive.org ausprobiert hat, wird sich sehr darüber wundern, was das Internet alles über einen Preis gibt. Aber auch die Kommentare, Bilder, Einträge und Emails via Facebook, Twitter etc. sind praktisch unauslöschlich im Netz. Schaffen wir uns damit eine virtuelle Existenz bis in alle Ewigkeit? Und wenn ja, wer will das?

Mag sein, dass man mit 30 langsam an einen Punkt kommt, an dem einem die eigene Sterblichkeit wieder vor Augen geführt wird. Warum sonst haben wir ein solch dringendes Bedürfnis, der Welt unsere Stempel aufzudrücken? Mit Diensten wie „about.me“ oder „dailybooth“ aber auch „facebook“ und „twitter“ versuchen wir tagtäglich zu sagen: ich bin da, hört mich, lest mich, seht mich. Wir optimieren unser Image auf Facebook, starten Blogs (wie diesen hier) oder eigene Profilseiten unter LinkedIn und Xing, gründen Arbeitsgruppen, machen mit bei Jede Rappe zählt und doch, irgendwann sind wir weg.

Oder doch nicht? Wenn wir sterben, hinterlassen wir inzwischen auch ein Daten-Erbe aus Profilen und Accounts. Löschen, sortieren, erhalten? Warum diese Frage nicht ganz unsinnig ist, soll ein Beispiel zeigen: Facebook erinnert mich nämlich ständig daran, dass ich mich mal wieder bei C. melden sollte. Dabei ist er schon seit einem Jahr tot. Trotzdem werden wir, also C.’s Freunde regelmässig aufgefordert, etwas auf die Pinnwand zu schreiben. Da er sehr beliebt war, sind es über 200 (der durchschnittliche Facebook User hat 180). Und gemäss Statistik sterben neben C. jedes Jahr weitere 375.000 Facebook-User, ihre Profile jedoch nicht unbedingt. In einem Artikel in der NZZaSo von Martin Helg (20.2.2011) wird eine Studie von IBM zitiert: Jeden Tag werden 12 Millionen Gigabyte an Mails, dokumenten, Audio, Foto- und Videodateien irgendwo gespeichert. Das ist, ausgedruckt und gestapelt, ein Bücherturm von der Sonne zum Pluto. Wer hat hier noch den Überblick?

Seit 2009 und 2010 sind neuerdings sogenannte Netzfriedhöfe wie www.stayalive.com,www.strassederbesten.de und www.1000memories.com online, bei dem nicht nur Hinterbliebene ein virtuelles Grab für Verstorbene buchen können, sondern sich jeder schon zu Lebzeiten eine letzte Ruhestätte im Netz sichern kann. Wer denkt dabei nicht an den Film mit Bruce Willis und den Satz: I can see dead people…

Kommen wir zurück auf Steve Job’s Rede. Er sagt, sterben gehört zum Leben dazu, erst durch den Tod lohnt sich das Leben: „Your time is limited, so don’t waste it living someone else’s life. Don’t be trapped by dogma — which is living with the results of other people’s thinking. Don’t let the noise of others’ opinions drown out your own inner voice. And most important, have the courage to follow your heart and intuition. They somehow already know what you truly want to become. Everything else is secondary.“

Was will uns Jobs damit sagen? Er hat sein Erbe bereits ausgebreitet und wird erinnert und er hat neben einem Pressebüro bestimmt auch ein paar Leute in seinem Stab, die sich um die „Netz-Identität“ von ihm kümmern. Aber wie ist es mit Dir? Was ist, wenn morgen der Tag kommt, an dem der Bus oder das Tram schneller war? Wie wirst Du erinnert werden, so wie Du warst, oder so wie Du gerne gewesen wärst oder so, wie das Netz es allen nach Dir erzählen wird? Wenn Du alles, was Du postest in Stein meiseln würdest, was wäre Dir wichtig? Und würde Dein Leben auf eine Tafel passen?

Freue mich über Eure Kommentare und Feedbacks.

Rede von Steve Jobs:  

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Quellen: http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/ewiges_leben_20_1.9607425.htmlhttp://www.npr.org/2011/01/10/132617124/after-death-protecting-your-digital-afterlifehttp://news.stanford.edu/news/2005/june15/jobs-061505.html,